Freitagsansprache von 09.10.2015

von Ayatollah
Dr. Ramezani Imam und Leiter des Islamischen Zentrums Hamburg e.V.

Im Namen Allahs, des Barmherzigen, des
Allerbarmers

Aller
Lobpreis gebührt Gott, dem Erhabenen, dem Herrn aller Welten. Wir danken Ihm
für Seine Gnade und Seine Gaben und bitten Ihn um Hilfe und Rechtleitung in
allem, was wir tun, und hoffen, dass Er uns in Seine Gunst aufnimmt. Sein
Frieden und Segen sei mit unserem Propheten Muhammad, seinen reinen Nachkommen
und seinen rechtschaffenen Gefährten. O Diener Gottes, ich rate mir selbst und
Ihnen allen zur Ehrfurcht vor Gott und zum Gehorsam gegenüber Seinen Geboten.

In
der “Abhandlung der Rechte” Risalat al- Huquq des Imam Sajad A.S. ,
in welcher eine komprimierte Reihe von Diskussionen über moralische Rechte und
Menschenrechte aufgeführt ist, kann man die detaillierteste Diskussion in Bezug
auf die Menschenwürde erlangen. Seine Exzellenz A.S. weist zunächst darauf
hin, dass jede Bewegung, welche vom Menschen ausgeführt wird, und jeder
Körperteil des Menschen bestimmte Rechte umfassen, unter denen einige erhabener
sind als andere; und dass die Einhaltung jedes einzelnen dieser Rechte – vom
Recht des allmächtigen Gottes und den Rechten jedes einzelnen Körperteils und
jeder Tat und Handlung bis hin zu den Rechten in Bezug auf die Gesellschaft,
wie beispielsweise das Recht des Freundes und des Verwandten und der
Untergeordneten und der gerechten Herrscher usw. … – eine bedeutende und
tragende Rolle in der Ordnung und Sicherheit und Erlangung der menschlichen
Ideale spielen kann.

Nach
einem Exkurs über die ersten und bedeutendsten Rechte, welche die Rechte des
allmächtigen Gottes bilden, weist seine Exzellenz, Imam Sajad A.S. , auf das
Recht des Individuums hin und äußerte folgendes: “Dein individuelles Recht
liegt jedoch darin, dass du es vollkommen und ganz und gar der Demut des
allmächtigen Gottes gegenüber widmest. Setze also die Rechte deiner Zunge und
deiner Ohren und deiner Augen und deiner Hände und deiner Füße und deines
Bauches und deines Rockes um und bitte den allmächtigen Gott bei der Ausführung
ihrer Rechte um Hilfe. Wenn nämlich die Ausführung dieser Rechte akkurat und
auf korrekte Art und Weise erfolgen soll, so muss man den allmächtigen Gott um
Hilfe bitten, damit dieser uns mit der Fähigkeit zur richtigen Durchführung und
Umsetzung dieser Rechte segnen kann.”

Im
heiligen Koran wird der Begriff “Wesen” sehr oft und mit
unterschiedlichen Bedeutungen, wie zum Beispiel in der Bedeutung des Geistes
oder der Seele[1],
des Wesens oder der Natur[2], des Herzens und des
Inneren[3] verwendet. In der Sprache
der Philosophie wird das Wesen in drei Gruppen unterteilt: das pflanzliche
Wesen, das tierische Wesen und das menschliche Wesen. Die unterschiedlichen
Stufen und Zustände, welche dem Wesen widerfahren können, obgleich es sich um
Ränge und Vollkommenheit oder Niedergang und Gemeinheit handelt, besitzen auch
je nach ihrem Wert einen bestimmten Namen.

In
Bezug auf ein starkes Verlangen nach Vergnügungen und tierischer Wollust wird
das Wesen beispielsweise “نفس اَمّارة” “Nafs Ammarah” genannt. Wenn
ihm unangepasste und hässliche Taten aufgrund der Prävalenz seiner Wollust als
gute und schöne Taten erscheinen, wird es “نفس مُزیِّنه” “Nafs Mozayyenah”
genannt. Wenn es für die Erlangung seiner tierischen Ziele Arglist und
Heimtücke einsetzt und betrügerische Facetten bei der Durchführung seiner
Handlungen an den Tag legt, wird es “نفس مسوّلة” “Nafs Mosavvalah”
genannt. Wenn es nach der Ausführung einer unangebrachten Handlung zu seinem
Wesen und seiner Natur zurückkehrt und sich rügt, so wird es “نفس لوّامة” “Nafs Lavamah” genannt.

Wenn
es seine Lüsternheit und seinen Zorn mäßigt und sich dem Genuss des Verstandes
widmet, so wird es “نفس مطمئنّة” “Nafs Motmaenah”
genannt. Und wenn es sich der Demut und der Zufriedenheit seines geliebten
hingibt und die eigenen Bedürfnisse unter die Bedürfnisse seines Geliebten
stellt, so wird es “نفس راضیة” “Nafs Razieh” und “نفس مرضیّة” “Nafs Marzieh” genannt.[4] Der Name und Begriff
“Nafs Razieh” bezieht sich jedoch auf die Zufriedenheit seitens des
Geschöpf Gottes in Verbindung auf all die Dinge, welche den Geboten des
allmächtigen Gottes unterliegen; und der Begriff “Marzieh” bezieht
sich auf die Äußerung der Zufriedenheit seitens des allmächtigen Gottes in
Verbindung zu seinem Geschöpf, welches einen solchen Stellenwert erlangt hat
“Allah hat an ihnen Wohlgefallen, und sie haben Wohlgefallen an Ihm; das
ist die große Glückseligkeit.” Al- Ma ida | 5: 119 .

Und
das ist der Moment, an dem der Mensch als Geschöpf Gottes vom allmächtigen Gott
folgendermaßen angesprochen wird:

” O du ruhige Seele! Komm zufrieden zurück zu
deinem Herrn und mit Allahs Wohlwollen, so schließ dich dem Kreis Meiner
Diener an. Und tritt ein in Mein Paradies.” Al- Fadjr | 89:
27-30 .

Im
heiligen Koran werden auch diese unterschiedlichen Stufen angesprochen. Wenn
der Mensch beispielsweise ein Verlangen nach Wollust spürt, so wird dieser
Zustand im heiligen Koran “Amareh” genannt; ein Zustand,
der den Menschen auf den Weg der Unangemessenheiten, welche wesensbezogene
Quellen besitzen, führt; man sollte sich vor der “Nafs Amareh”
distanzieren und sich in Richtung des allmächtigen Gottes bewegen und bei
diesem Schutz finden, wie auch der heilige Koran folgendes offenbart: ”
Und
ich behaupte nicht, dass ich unschuldig bin; denn das Menschen- Wesen gebietet
oft Böses; davon sind jene ausgenommen, derer mein Herr Sich erbarmt. Wahrlich,
mein Herr ist Allverzeihend, Barmherzig. ” Yusuf | 12: 53 . Und in einem
anderen heiligen Vers wird folgendes offenbart: ” Wer
aber das Stehen vor seinem Herrn gefürchtet hatte und die eigne Seele von niederem
Gelüst abhielt, so wird das Paradies sicherlich seine Herberge sein. ” An-
Nazi at | 79: 40-41 .

Eben
dieses Wesen erlangt manchmal eine Stufe, in der es dem Menschen unangebrachte
und schlechte Taten als gute darstellt und diesen sogar zur Durchführung einer
schlechten und unangemessenen Tat motiviert. Der heilige Koran offenbart
zahlreiche Beispiele für diesen Zustand, wie beispielsweise die Beziehung von
Yusuf A.S. und seinem Bruder[5] oder die Geschichte des
Volkes Moses A.S. [6],
welche die Motivation und Überredung des Wesens zu schlechten Taten
widerspiegelt.

Der
heilige Koran weist auch auf den anderen Zustand des Wesens hin, in dem das
Wesen den Menschen stets vor der Durchführung unangemessener und schlechter Taten
bewahrt und ihn rügt und dieser Zustand stellt das moralische Gewissen des
Menschen dar, welches dem Menschen hilft, die Orientierung an schlechten Taten
zu vermeiden. Es erinnert den Menschen nämlich stets daran, dass sie
durchgeführte Tat und Handlung schlecht und unangebracht ist. Aus diesem Grund
schwört der heilige Koran in Bezug auf diese Stufe des Wesens und offenbart
folgendes: ” Ich schwöre beim Tag der
Auferstehung und Ich schwöre bei jeder reumütigen Seele.” Al- Qiyama |
75: 1 und 2 .

Aus
der Interpretation seiner Exzellenz, Imam Sajad A.S. , kommt hervor, dass man
das Wesen vollkommen kennen und sich um die akkurate Erziehung und Bildung
dieses Wesens kümmern sollte. Wenn das menschliche Wesen sich nämlich nicht auf
dem akkuraten Weg der Erziehung bewegt, so verliert der Mensch seinen
wahrhaftigen Stellenwert in vollem Umfang.



[1] ” Allah nimmt die Seelen der Menschen zur Zeit
ihres Sterbens zu Sich und auch die Seelen derer, die nicht gestorben sind,
wenn sie schlafen.” Az- Zumar | 39: 42 .

[2]  ” Und
meidet den Tag, an dem kein Wesen für eine andere bürgen kann. ”
Al- Baqara | 2: 48 .

[3] ” Und gedenke deines Herrn in deinem Herzen in
Demut und Furcht, ohne laut vernehmbare Worte am Morgen und am Abend ”
Al- A raf | 7: 205 .

[4] Mirza Mahdi Elahi Ghomshei. Hekmat Elahi Aam va Khas. S. 31 und
32.

[5] ” Und sie hatten falsches Blut auf sein Hemd
gebracht. Er sagte: “Nein, ihr habt das geplant. Doch schön geduldig sein.
Und Allah sei um Hilfe wider das gebeten, was ihr beschreibt.” ” Yusuf
| 12: 18 .

[6] ” Er sagte: “lch bemerkte, was sie nicht
wahrnehmen konnten. Da faßte ich eine Handvoll Erde von der Spur des Gesandten
und warf sie hin. So habe ich es mir selber eingeredet.” ” Ta-Ha |
20: 96 .

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