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Am 2. Februar 2013 fand von 10:00 bis 17:30 Uhr im Islamischen Zentrum Hamburg eine Konferenz unter dem Titel „Islam & Globalisierung“ statt. Mehr als 150 Gelehrte, Denker und Wissenschaftler aus In- und Ausland nahmen an dieser Veranstaltung teil, die durch Simultanübersetzer auf Arabisch, Türkisch und Deutsch übersetzt wurde.


 
Der erste Redner war Hudschat-ul-Islam Seyed Masoud Masoumi, stellvertretender Leiter des Islamischen Zentrums Hamburg. Als Generalsekretär dieser Veranstaltung hieß er zunächst alle Gäste und Anwesenden willkommen und erläuterte anschließend die Wichtigkeit der Einheit unter den Muslimen: „Die Muslime dürfen sich nicht durch Zwietracht auseinander dividieren lassen. Es die Pflicht von religiösen, politischen und akademischen Persönlichkeiten in der islamischen Welt, sich ernsthaft für die islamische Einheit einzusetzen. Die Einheit der Muslime ist eine unabdingbare Voraussetzung für den Fortschritt der Muslime weltweit. Religiöse Spaltungen und Alleingänge müssen verhindert werden, vor allem hier in Deutschland. Die Muslime müssen mit einer Stimme sprechen, um den Prozess der Globalisierung entscheidend mit zu beeinflussen und die islamischen Werte der ganzen Weltgemeinschaft zugänglich zu machen. Zwietracht und Spaltung sind vom Teufel, einheitliches Wollen und Einigkeit sind von Gott.“
Der zweite Redner war Dr. Mustafa Yoldas, Vorsitzender der Schura Hamburg. Er kritisierte vor allem die Passivität der Muslime: „Die Muslime sind viel zu häufig nur Konsumenten statt Produzenten. Doch wir dürfen uns mit dieser Rolle nicht zufrieden geben. Wenn wir wollen, dass unser Wort in der Welt Gewicht hat und man unsere Stimme vernimmt, müssen wir aktiver werden. Nur durch einen starken Gestaltungswillen können unsere Wirtschaftskraft und unser politisches Einflussvermögen langfristig zunehmen. Der Bruderkrieg zwischen Sunniten und Schiiten muss ein Ende finden, damit die Kräfte der muslimischen Welt gebündelt werden und der Islam nicht weiter an Ansehen verliert. Es reicht nicht aus, die Schuld immer bei anderen zu suchen. Die Muslime müssen sich auch an die eigene Nase fassen und sich fragen, was sie für eine bessere Zukunft leisten. Während in Dubai die höchsten Konsumtempel der Welt gebaut werden, sterben die Menschen in Afrika an Unterernährung.“
Als dritter Redner sprach Ayatollah Dr. Reza Ramezani, Imam und Leiter des Islamischen Zentrums Hamburg. Er betonte, die Bedeutung und Notwendigkeit der Einheit: „Alle Muslime beten Gott an und glauben an das Prophetentum des heiligen Propheten Muhammad s.a. . Der Heilige Qur‘an ist ihr Buch und die Kaaba ist ihre Gebetsrichtung. Sie beten, fasten und vollführen die Pilgerfahrt. Sie erziehen ihre Kinder mit denselben Werten und beerdigen ihre Toten nach denselben Riten. Sie haben dieselbe Weltsicht, eine gemeinsame Kultur und eine faszinierende Geschichte. Abgesehen von einigen Angelegenheiten, teilen die Muslime unzählige Gemeinsamkeiten miteinander. Diese Einheit in der Weltansicht, in der Kultur, in der Zivilisation, in der Gesinnung, im religiösen Glauben, im Gottesdienst, in sozialen Bräuchen und Sitten ist das Fundament für eine gemeinsame Zukunft in Frieden und Harmonie.“
Der Imam und Leiter des Islamischen Zentrums Hamburg beschrieb die Globalisierung als unaufhaltsamen Prozess: „Der Zug der Globalisierung kann nicht gestoppt werden. Es nützt nichts sich den Entwicklungen und neuen Technologien zu widersetzen. Die Muslime müssen die Ärmel hochkrempeln und mit anpacken, um die falschen Ideologien, die weltweit im Umlauf sind, durch die islamischen Wahrheiten zu korrigieren. Die Medien stellen die Zukunft der Menschheit düster und schwarz dar. Die Rede ist von Krieg, Terror und Gewalt. Der Islam lehnt diese pessimistische Weltsicht ab, die den Menschen jegliche Hoffnung auf ein besseres Leben raubt. Ganz im Gegenteil: Aus der Sicht der Religion bewegt sich der Mensch auf eine Vervollkommnung zu. Die Zukunft ist geprägt von Vernunft, Spiritualität, Fortschritt, Frieden und Gerechtigkeit. Die Menschheit wird diese Ära erleben und die Globalisierung ist ein Zeichen hierfür. Es gibt keinen Grund, sich zurückzulehnen und der Welt beim Untergehen zuzusehen. Das einheitliche Wollen und Streben stellt eine Notwendigkeit dar. Wenn die Muslime untereinander verbündet sind, vermag niemand ihnen den Weg zu blockieren.“
Ayatollah Dr. Reza Ramezani nannte die Befolgung der qur’anischen Lehren, als eines der größten Aufgaben der Muslime, um die Erlösung einzuleiten: „Es die Pflicht der religiösen Wissenschaftler, das Gute zu geheißen und das Unbillige zu untersagen, und die Gesellschaft zur Gottesdienerschaft aufzurufen. Wir müssen den Boden bereiten für die Rückkehr des erwarteten Erlösers, dem Imam der Zeit. Wer auf den großen „Erzieher der Menschheit“ wartet, der muss sich zuerst selbst erziehen. Auch wir müssen die Globalisierung mit Inhalten und Idealen füllen. Es kann nicht sein, dass einige arrogante Staaten, unter dem Deckmantel von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten, die Globalisierung für ihre eigenen Interessen missbrauchen, zu Ungunsten der restlichen Weltbevölkerung. Es ist die Pflicht der islamischen Gelehrten, der muslimischen Intellektuellen, Schriftsteller, Dichter und Künstler in der Islamischen Welt, die Persönlichkeit des Propheten und die Dimensionen seiner Erhabenheit für Muslime und Nicht-Muslime vorzustellen.“


 
 
Der vierte Redner war Dr. Mustafa Efendi Ceric, ehemaliger Großmufti von Bosnien-Herzegowina. Dr. Ceric verglich die Konferenz mit dem Weltwirtschaftsforum in Davos: „Ich danke dem Islamischen Zentrum Hamburg dafür, dass wir hier die Gelegenheit bekommen über den Zusammenhang zwischen Globalisierung und Spiritualität zu sprechen. Erst vor einigen Tagen endete das Weltwirtschaftsforum in Davos, bei dem sich Politiker und Intellektuelle vor allem mit wirtschaftsrelevanten Themen befassten und die Werte der Religionen außer vor ließen. Deshalb freue ich mich umso mehr, dass wir hier die Möglichkeit haben, die Globalisierung der Welt aus einer ganz anderen Perspektive zu betrachten.“


Der fünfte Redner war Hudschat-ul-Islam Nawab, der die Notwendigkeit von gemäßigten Gelehrten in den Mittelpunkt seine Rede stellte: „Wir befinden uns in einer Zeit, indem die Religionen von radikalen Kräften missbraucht werden. Es bedarf mehr fähiger Gelehrter, die diesem Wahnsinn ein Ende bereiten und die Menschen wieder zum Frieden einladen. Es die Pflicht eines islamischen Geistlichen und Gelehrten, dass er das Gute fördert, das Unbillige untersagt, und sich gegen das Böse stellt, möge es nun aus den eigenen Reihen oder von anderen Gemeinschaften stammen. Meinungsverschiedenheiten und unterschiedliche Anschauungen müssen in einer friedlichen und entspannten Atmosphäre besprochen werden. Die Ausübung von Druck und Anwendung von Gewalt widersprechen dem Islam. Wenn ich mich gegen euch und ihr euch gegen mich stellt, dann wird dadurch nichts erreicht, außer das Dritte davon profitieren. Einander zu bekämpfen bedeutet in dieser Zeit Selbstmord. Uneinigkeit führt zu Abhängigkeit, Schwäche, Identitätsverlust und letztendlich zum Untergang. Die Einheit der Muslime hat vor allen Dringlichkeiten und gegenüber allen Notwendigkeiten die höchste Priorität.“
Der sechste Redner war Ramazan Ucar, Vorsitzender des Bündnisses der Islamischen Gemeinden in Norddeutschland e.V. BIG . Er berichtete über das Zusammenleben der Hamburger Muslime: „In Hamburg arbeiten die Muslime miteinander und engagieren sich in gemeinsamen Projekten. Sie organisieren und koordinieren gemeinsam religiöse und soziale Aktivitäten. Ein Beispiel hierfür ist die Schura Hamburg, die auf Grundlage eines gemeinsamen islamischen Glaubensverständnisses und dem Zusammenschluss verschiedener islamischer Gemeinden, entstanden ist. Der Islam betont, dass Muslime brüderlich miteinander umgehen müssen. Im Heiligen Qur an heißt es: Die Gläubingen sind Brüder. Der Aufruf zum Islam ist ein Aufruf zur Einheit. Begriffe wie Rasse, Sprache, Nationalität, Land und Kontinent sind im Islam bedeutungslos. Alle Muslime – ob Sunniten oder Schiiten – sind einander gleich. Bei Gott ist der Angesehenste unter ihnen, derjenige der am Gottesfürchtigsten ist.“
Der siebte Redner war Hudschat-ul-Islam Qummi. Er betonte die Wichtigkeit der religiösen Werte bei der Globalisierung: „Das 20. Jahrhundert war einerseits geprägt von Fortschritt und andererseits von Kriegen. Die Kriege wurden nicht von den technologisch unterentwickelten Staaten geführt, sondern von den Mächten, die reich und hochentwickelt waren. Der technologische Fortschritt führte nicht zum Frieden, sondern die neuen Technologien wurden genutzt, um Kriege zu führen. Das 21. Jahrhundert wird anders sein. Wir sehen jetzt bereits wie die Menschen nach Spiritualität dürsten. Überall auf der Welt verschmelzen religiöse und politische Themen ineinander. Die Menschheit bewegt sich auf die Einheit zu. Die arroganten Staaten, die wie in der Vergangenheit, auch in der Zukunft Kriege führen möchten, werden in einer globalisierten Welt mehr denn je auf den Widerstand der Unterdrückten stoßen. Die modernen Technologien mögen die Hardware der Globalisierung darstellen, aber der Islam ist die Software. Sie ist die beste Theorie, weil sie alle Lebensbereiche umfasst, alle Menschen anspricht und für alle Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden fordert.“ 

Der achte und letzte Redner war Dr. Lotfi Toumi, Islamwissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Er sprach über verschiedene Sichtweisen in Bezug auf eine sich verändernden Welt: „Die Unsicherheit darüber, was Globalisierung bedeutet – für den Einzelnen, für die Gemeinschaft, für die gesamte Gesellschaft – ist groß. Die Meinungen darüber gehen weit auseinander: Während die einen das Verschmelzen der Kulturen als Chance für eine bessere Welt betrachten, fürchten sich andere vor diesem unaufhaltsamen Wandel. Doch der Austausch von Gedanken und der Dialog unter den verschiedenen Denkschulen muss nicht zwangsläufig zum Aufgeben eigener Vorstellungen und zum Identitätsverlust führen. Die Globalisierung kann auch zur Verfestigung der eigenen Werte und zu einem besseren Verständnis führen.“

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